Buchbesprechung von Bernhard von Siebenthal
Unsere Wahrnehmung der Umwelt steuert unser Verhalten. Und was wir wahrnehmen wiederum wird durch innere Prozesse gesteuert. Die Veränderung dieser inneren Prozesse, des inneren Erlebens ist das zentrale Anliegen in Susanne Hagens Buch (S. 13). Mit verschiedenen praktischen Übungen will sie dem Leser die Möglichkeit geben „sein inneres Erleben bewusster zu gestalten…“ und ihn damit zu befähigen „die alltäglichen Herausforderungen leichter und erfolgreicher zu bewältigen“ (S. 13)
Viele der Übungen nutzen eigentlich die einfache Tatsache, dass mit etwas Distanz, Dinge meist anders aussehen, als wenn wir mitten drin stehen. Leider ist uns diese Tatsache, gerade in herausfordernden Situationen, häufig nicht bewusst, sondern wir müssen sie uns bewusst vor Augen führen. Nicht zufällig schlägt die Autorin zu Beginn des Buches die Übung vor, Probleme „wegzulachen“ (S. 19). Gerade Humor kann uns helfen, etwas Distanz zu gewinnen, und nicht alles so ernst d.h. so tragisch zu nehmen.
Viel Raum widmet die Autorin der Arbeit der bewussten Veränderung von Submodalitäten in unserer Wahrnehmung. Submodalitäten, „diese feinsten Unterscheidungen in unserer Wahrnehmung, an denen unsere Gefühle „gekoppelt“ sind.“ (S. 22) (Auch bei dieser Technik spielen natürlich u.a. Nähe – Distanz eine enorme Rolle, für unsere Wahrnehmung und die damit verbundenen Gefühle. Vgl. oben).
Aktuell versuchte ich mir diese Technik zu Nutzen zu machen um meine Gefühle bzw. meine Haltung einer Person gegenüber verändern zu können, die für mich so etwas wie ein „Angstgegner“ ist. (vgl. S 25). Ich stellte mir in meinem Innern einen Bildschirm vor, wo ich mich und diese Person in für mich unangenehmen Begegnungen sah. Dann versuchte ich bewusst Position und Grösse von mir und dieser Person zu verändern und merkte, was dies in mir für Gefühle auslöst. Ich konnte mir auf diese Weise ein innerliches Bild schaffen, das mir hilft mich in der Begegnung mit dieser Person anders zu sehen und auch andere Gefühle zu haben.
Weiter als ganz persönlich hilfreich, fand ich aus dem Kapitel „Innere Klangwelt“ (S. 51 ff.) den „Umgang mit kritischen Stimmen“. Ich versuchte mir vorzustellen, wie der „innere Kritiker“ in mir manchmal wohl tönt und was es wohl bewirken würde, wenn diese Stimme in einem anderen Tonfall zu mir spricht.
Das Kapitel 8 widmet die Autorin der Nutzung von Trance als Zugang zu unserem Unterbewusstein. In verschiedenen Übungen stellt sie vor, wie wir an persönliche innere Orte „reisen“ können und wie solche Ort mit verschiedenem Zweck geschaffen und gestaltet werden können z.B. „Ort der Ruhe“, „Ort der Fülle“ (S. 112 ff.) Dabei legt sie auch viel Gewicht auf die verschieden Ebenen der – in diesem Fall – inneren Wahrnehmung. Dies macht die Wahrnehmung viel intensiver, als wenn wir uns z.B nur innere Bilder vor Augen führen. – (Nebenbemerkung: Indem in nlp so viel von „v-a-k-o-g“ leistet es auch in dieser Hinsicht einen sehr wertvollen Beitrag!)
Persönlich erlebe ich Tranceübungen, „Reisen an innere Orte“ jedes Mal als sehr wohltuend und stärkend. In meiner Arbeit mit psychisch kranken Menschen nutze ich Imaginationsübungen in Zusammenhang mit „Progressiver Muskelrelaxation“ mittlerweile regelmässig als wertvolles Instrument damit Menschen durch verbesserten Zugang zu ihren inneren Ressourcen gestärkt werden können. Entscheidend dabei ist der Faktor, dass sich jeder Mensch dabei seine eigenen, passenden inneren Bilder machen kann und diese nicht von aussen kommen, in einer Form vielleicht, die uns überhaupt nicht anspricht.
Doch, ist es auch immer so einfach, unsere innere Welt zu verändern? – Eine Frage die mir beim Kapitel „Anker setzen um Gefühle abrufen zu können“ – grundsätzlich, auch dies ein ganz wertvolles Werkzeug – durch den Kopf gegangen ist: Ich befürchte, ganz so schnell und so einfach, wie die Autorin hier beschreibt, geht es in der Realität selten! Veränderung von bestimmten Gefühlen und von Verhalten braucht sehr viel Zeit, sehr viel Üben und grosses Durchhaltevermögen! Die Herausforderung besteht darin, sich das gewünschte Gefühl, bzw. die gewünschte, veränderte, Wahrnehmung immer wieder bewusst zu machen und entsprechend zu „verankern“. Nur so fallen wir nicht wieder in die alten, gewohnten Denk- und Wahrnehmungsmuster zurück.
Überhaupt, um unser inneres Erleben, unsere innere Welt zu verändern genügt kein einfaches „10-Punkte-Programm“. Innere Prozesse haben sich meist während Jahren geformt, und so braucht auch deren Veränderung Zeit und ist wohl letztlich ein lebenslanger Prozess. Nlp gibt uns aber einige Tips wie wir Dinge immer wieder mal auch anders und in einem positiveren Licht sehen können!