Buchbesprechung von Fredy Rüedi
Schon der Claim dieses Buches „In 30 Minuten wissen Sie mehr!“ hat meine Neugier geweckt. „Stating the obvious“ sagte ich mir und der NLP-Practitioner kommt nicht umhin gleich in das Metamodell der Sprache zu gehen: "Mehr als was? – Hoffentlich hat das Buch einen brauchbaren Inhalt. Ich habe 20 Tage gebraucht um an der Oberfläche des NLP zu kratzen, was kann ich in 30 Minuten brauchbares dazulernen?"
Fast alle Aspekte des NLP…
Ich habe das Buch ein erstes Mal schnell gelesen. Am Ende war mein erster Eindruck, dass ich dieses Buch hätte lesen müssen, bevor ich die Practitioner-Ausbildung gemacht habe. Hätte ich noch zusätzliche Motivation benötigt um die Ausbildung in Angriff zu nehmen, ich hätte sie sicherlich erhalten. In den rund 80 kleinen Seiten dieses Buches, werden sehr viele Themen des NLP angesprochen. Vom Modellieren über die Gestaltungsebenen, die Grundelemente erfolgreicher Kommunikation und des NLP, das Metamodell der Sprache, den Swish (Strategie zur positiven Selbstkonditionierung), die Satir-Kategorien bis hin zu Rapport (Pacing und Leading), etc. sind fast alle Aspekte des NLP angesprochen.
...allerdings etwas inkomplett.
Ich habe das Buch nach einiger Zeit ein zweites Mal gelesen. Diesmal weniger schnell, dafür mit einer erhöhten Aufmerksamkeit auf die Details. In dieser Lesung habe ich versucht, die Aussagen mit meinem NLP-Wissen abzugleichen. Dabei habe ich festgestellt, dass viele Aspekte sehr zusammengefasst oder nur inkomplett wiedergegeben sind. So werden beispielsweise die Grundannahmen des NLP auf „vier Beine“ zusammengestaucht.
Dieser Eindruck hat sich mit der Abhandlung der Metaprogramme nochmals signifikant verstärkt. Aus meiner Ausbildung war mir das Modul 9 Metaprogramme als sehr komplex und umfassend in Erinnerung. Im Buch wird dieses Thema auf lediglich 5 Seiten auf drei Punkte reduziert: Der Richtungs-Sort sagt ob der Käufer ein 'weg von' oder ein 'hin zu' Programm hat; sein Referenzrahmen teilt mir mit ob er Entscheidungen 'intern' oder 'extern' trifft und zu guter Letzt teilt die Weltansicht die Käufer in die zwei Kategorien 'Wahrnehmer' und 'Beurteiler'. Als ich am Schluss dieser zweiten Lesung die Ausführungen zum Autor, Jochen Sommer, las, wurde mir klar, dass dieses Buch ein reines Verkaufsbuch für seine Aktivitäten, sein Angebot als NLP- und NLP-Business-Trainer ist.
Verkauft Jochen Sommer sich mit diesem Buch selber?
Damit hat mich eine andere Neugier gepackt: Setzt er im Buch seine eigenen Verkaufsanleitungen um? Ich komme zum Schluss, dass er genau dies tut – insofern ist der Autor konsistent. Mit seinen Aussagen, dass die herkömmlichen Verkaufstechniken nicht ausreichen und der Verkäufer ohne die NLP-Techniken nie zum Spitzenverkäufer wird, kreiert der Autor das von ihm angesprochene 'Leid beim Nichtkauf'. Über die Ausführungen zur Selbstmotivation, der inneren Verpflichtung und der Vorbereitung verbindet der Autor anschliessend die positiven Gedanken und Gefühle mit dem Kauf.
Im Kapitel über den Kundenkontakt holt der Autor den Leser als Person ab und schafft den Rapport. Das letzte Kapitel über die Behandlung von Einwänden und den Verkaufsabschluss festigt beim Leser die Er-kenntnis, dass dies eine Supertechnik ist und er sie unbedingt beherrschen muss. Leider kann ich diese Supertechnik nur aus diesem Buch nicht erlernen und auch die im Buch beschriebenen Übungen bringen mich noch nicht ans Ziel. Ich will dieses Instrument in meinem Köcher haben und auf Seite 93 finde ich ja auch gleich die einfache Lösung: „...erreichen Sie mich per e-mail unter ...“ – ich bin schon am PC.
Sind es nicht genau solche Vorgehensweisen, welche das NLP in Verruf gebracht haben?
Zugegeben der vorherige Absatz zeigt meine rein persönliche Betrachtung, doch je mehr Gedanken ich mir zu diesem Buch mache, umso mehr beschleicht mich ein Unbehagen. Einen roten Faden kann ich im Buch sehr deutlich erkennen: der Kauf muss mit Freude / positiven Gefühlen verbunden sein, ein Nichtkauf als Kontrast gleichsam mit Schmerz und Leid verbunden werden. Diese Überzeugung wird über das ganze Buch verteilt immer wieder wiederholt. Sind es nicht genau solche Interpretationen und Vorgehensweisen, welche das NLP in Verruf gebracht haben? Ist dies nicht genau ein Beispiel wie die falsch verstandene Anwendung von starken NLP-Strategien zu Manipulation führen? Und solche Manipulation ist mit einer ethisch vertretbaren Anwendung des NLP nicht vereinbar.
NLP ist äusserst wertvoll im Verkauf, aber bitte nicht so!
Zum Schluss kann ich sagen, dass ich nach 30 Minuten definitiv mehr weiss! So wie in diesem Buch be-schrieben darf NLP im Verkauf nicht angewandt werden. Die gesamten Aspekte der Kommunikation, Milton und das Metamodell der Sprache, die Kenntnisse über die Metaprogramme und auch diverse NLP-Strategien sind äusserst wertvoll im Verkauf. Das kann ich aufgrund meiner eigenen Erfahrung durchaus bestätigen. Der Wunsch nach eloquenter Anwendung dieser Kenntnisse und Fertigkeiten ist legitim und sicherlich auch bereichernd. Aber ein Grundsatz muss bleiben: Der Kunde wird als Person respektiert, er entscheidet frei und seine Entscheidung wird akzeptiert und unterstützt. So entsteht längerfristige positive Kundenbindung und, der Nichtkauf bereitet keine Schmerzen oder Leid!