Erfahrungsberichte
Rubrik: Erziehung, Schule
Die schnelle Art Schäfchen zu zählen…
Dieser Beitrag wurde von Lydia Graf, Winterthur verfasst:
"Machst du mir eine Farbe?", so tönt es allenthalben aus dem Kinderzimmer, wenn meine Tochter (9) nicht einschlafen kann. Oder noch ein paar Augenblicke Zuwendung nötig hat?
"Welche Farbe brauchst du denn?", frage ich sie jeweils. Manchmal ist es ein helles Dunkelgrün oder ein leichtes Orangerot. Wie auch immer, ich schicke sie dann mit dem inneren Auge auf die Reise, um herauszufinden, wo im Körper vielleicht ein winziges Bisschen von dieser Farbe schon vorhanden ist. "In der kleinen Zehe" oder "in der untersten Spitze des Herzens". Wir fragen dieses Farbfleckchen, ob es bereit ist, von seinem ungesehenen und ungeahnten Reservoir abzugeben. Meistens ist es das. Und so lässt meine Tochter aus dieser Quelle so lange und so viel Farbe strömen, bis der Körper genug hat und wir uns bedanken können. Im sicheren Wissen, dass es, wenn nötig, noch mehr davon gäbe. Und selig entschlummert mein Mädchen.
Es kommt auch vor, dass keine gebrauchte Farbe im Körper vorhanden ist. "Weiss": Schneeflocken tanzen am Himmel und fallen wunderbar weich und überraschenderweise warm über das Bett, hüllen alles ein wie Watte, in die man sich wohlig entspannt sinken lassen kann... Oder: "Alle Farben!" Eine bunte Blumenwiese weht zu uns herein, ein Regenbogen taucht überm Dorf auf, verkleinert sich und entfaltet sich schützend über dem Bett...
Letzthin tönte diese Frage ganz anders wie sonst. Erst dann merkte ich, dass es die Stimme des jüngeren Sohnes war. Auch er will neustens von dieser süssen Medizin trinken! Eine Kleinigkeit: Es ist eine schnelle Art, einzuschlafen.