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Ich berate, aber wie lautet eigentlich der Auftrag?
Vertragsgestaltung in der Supervision
Warten nach dem Abklärungsgespräch
Vor einiger Zeit hatte ich die Begleitung einer Familie übernommen. Auftraggeber war das regionale Zentrum für Therapie und Entwicklung. Ich nahm Kontakt auf mit der Familie und erfuhr, dass sie bereits seit letztem Herbst auf eine Begleitung durch unsere Dienstleistung (Sozialpädagogische Familienbegleitung) warteten. Damals im Herbst hatte auch bereits eine Sitzung mit allen Beteiligten stattgefunden, wobei unsere Dienststelle durch unsere Teamchefin vertreten wurde. Dabei ging es um die Klärung des Anliegens, sich ein Bild über die geplanten Massnahmen und den Kontext zu machen und darum, eine erste Vereinbarung für die Begleitung zu treffen.
Zeit heilt nicht immer Wunden
Laut jetziger Auskunft der Familie habe sich die familiäre Situation seit dieser Zeit verschlechtert. Zudem seien neue Probleme dazugekommen durch die Einschulung des ältesten Sohnes. Die schulische Situation sei enorm schwierig und die Konflikte zwischen Schule und Elternhaus massiv. Die Eltern sind Portugiesen und verfügen nur über Grundkenntnisse in der deutschen Sprache. Wir verständigten uns in mehreren Sprachen. Die Familie hatte grosse Erwartungen an unsere Dienstleistung. Ich erfuhr neue Fakten und erkannte, dass die schriftlichen Unterlagen, die ich durch den Zuweiser (Zentrum f. familiäre Begleitung, ZfB) erhalten hatte, nicht mehr aktuell waren.
Ein zusätzliches Einzelgespräch mit der Klassenlehrerin verstärkte mein ungutes Gefühl über die aktuelle Begleitungssituation. Der Auftraggeber (ZfB) schrieb von einer generellen Überforderungssituation in der Familie. Eine weitere Vertragsgrundlage zwischen ZfB und der Familie gab es keine. Da ich mehr Klarheit für mich und den weiteren Begleitungsverlauf brauchte, suchte ich das Gespräch mit dem Auftraggeber Herr M. vom ZfB. Das Sekretariat gab mir die Auskunft, dass Herr M. seit Januar 2016 pensioniert sei und sie zuerst abklären müsse, wer für diese Familie zuständig sei. Es stellte sich heraus, dass eine junge Psychologin für die Familie zuständig war. Leider konnte sie mir auch keine genaueren Auskünfte geben. Alle weiteren Netzwerkpartner hatten ihre Arbeit mit der Familie in der Zwischenzeit bereits abgeschlossen, da für sie nicht klar war, wie ihr Auftrag lautete.
Die Familie wurde vergessen?
Die Situation war für mich völlig unbefriedigend, da die Familie im Laufe des Prozesses offenbar wie vergessen wurde. Der mangelnde Auftrag und eine fehlende Übersicht gleich zu Beginn führten bei den Beteiligten bald zu fehlender Abgrenzungsfähigkeit. Das Beispiel zeigt auf, dass ungeklärte Situationen oft in einer Sackgasse enden. Die Familie fühlte sich abgeschoben und missverstanden in einer Situation, in der sie auf Hilfe gehofft hatten. Für mich fühlte sich diese Situation sehr schwammig an. Niemand wollte so richtig zuständig sein und offenbar meinten nicht alle dasselbe.
Beratung braucht Distanz
Selber hatte ich bereits bei einem früheren Auftrag die unangenehme Erfahrung gemacht, dass ich mich durch Unklarheiten, fehlende Vertragsbewusstheit und durch zu lange Begleitung in das Kundensystem hineinziehen liess und mir schliesslich die zur unterstützenden Reflexion klare Distanz fehlte. Somit war ich keine Hilfe mehr und die Arbeit wurde ineffektiv. Mir war wichtig, solch eine Erfahrung nicht nochmals zu machen und nun gleich zu Beginn die grundsätzlichen Klärungen zur weiteren Zusammenarbeit zu prüfen und klarzustellen.
Unklarheit führt zu Frust
Frustration kann sich bei allen breit machen, wenn nicht klar ist, wer was tut, woran gearbeitet wird und was die gegenseitigen Erwartungen und Befürchtungen sind. Für mich zeigte sich auch wieder einmal, wie wichtig Begleitvereinbarungen sind, damit alle Vertragspartner Zuständigkeiten und Rechte haben und Handeln / Nichthandeln zu Konsequenzen führen. Um den Begleitungsprozess zu gestalten, braucht es eine gemeinsame Arbeit. Zudem half mir meine Erfahrung, meine inneren Reaktionen, welche auf einen Stuck State hinwiesen, nun wahrzunehmen.
Ansprüche klären, Zuständigkeiten reglen
In meiner Arbeit gibt es häufig einen bestimmten Überweisungskontext. In solch einem komplexen Gefüge ist ein Dreiecksvertrag unerlässlich, um passende Absprachen und Vereinbarungen zu treffen. Hier werden die einzelnen Vertragsseiten transparent gemacht und die verschiedenen Erwartungen und Ansprüche zwischen den Beteiligten aufgezeigt, und herausgearbeitet, wo es zwischen wem noch eine Vereinbarung braucht. Auch mein Auftrag wird dadurch geklärt. Hier zeigen sich dann auch die „realistischen“ Erwartungen gegenüber den Wunschvorstellungen und unbewusste oder bisher noch nicht ausgesprochene Themen werden offen gelegt und ansprechbar.
Zwar wurde im genannten Beispiel ein Dreiecksvertrag gemacht, jedoch die einzelnen Punkte und Themen zu wenig ausgearbeitet – vor allem der Zeitfaktor sorgte für Unzufriedenheit und Irritation. Zudem war ich als Begleiterin nicht anwesend bei der Auftragsklärung. Meine Teamchefin hat dies übernommen.
Die Vertragsgrundlage in diesem Fall war ungenügend und zu wenig professionell ausgearbeitet worden. Mein Lerneffekt hierin: Die unangenehme Situation wurde mir beim Schreiben dieses Beispiels noch einmal so richtig bewusst. Gerne möchte ich dieses Beispiel mit in die nächste eigene Supervision mitnehmen, um sie in Anwesenheit der Supervisorin zusammen im Team besprechen zu können.
Eine Standardvertragsvorlage kann hilfreich sein
Ein guter Vertrag bringt allen Nutzen
Wenn ein Vertrag oder eine Vereinbarung von allen Parteien gut geheissen wird, gibt es einige Nutzen für alle.
Wichtige Punkte für einen stimmigen und durchdachten Vertrag sind:
- Gegenseitige Achtung und Wertschätzung
- Alle Beteiligten entscheiden sich freiwillig für die gemeinsame Zusammenarbeit.
- Jeder hat ein eigenes Interesse, den eigenen Teil der Verantwortung zu übernehmen. Eigene Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten kommen zum Tragen. Jeder weiss, was er beisteuern kann und will.
- Die verschiedenen Rollen und Grenzen sind klar definiert.
- Geschäftliche Rahmenbedingungen sind geklärt.
- Fragen, Themen und Problem sind überschaubar durch eine Reduktion von Komplexität.
- Wenig realistische Erwartungen sind geklärt und lassen keine heimlichen Verträge zu. Manipulationen, die zu befürchten wären, wurden ausgesprochen (Unbewusste Beziehungs- und Strukturebene sind bewusst gemacht.).
- Die Energie der Gegenwart wird durch eine Zielvereinbarung für den kommenden Prozess genutzt werden.
- Ein stimmiger Vertrag ist wie ein roter Faden zum Ziel hin. Hypothesen, Diagnosen und Ziele sind klar.
- Die Überprüfbarkeit der Ziele ist gegeben, ebenso die Klärung der Zeiträume.
- Mögliche Arbeitsweisen sind offen gelegt.
- Vertragsgrundlagen können sich ändern. Dann ist es wichtig, den Vertrag neu zu formulieren in gegenseitigem Verständnis.
- Ein stimmiger Vertrag fördert das gegenseitige Vertrauen und gibt Orientierung.
Stichworte
Therapie | Supervision | Gesundheitswesen | Coaching | Betriebliche Umsetzung | AuftragsklärungUrsula Carlen
Coaching und Begleitung bei Fragestellungen aus dem familiären und partnerschaftlichen Bereich.
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