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Eine Frau mit Durchblick
Projekt Regenbecken Schützenwiese, Winterthur
«Als Frau war ich in der Baubranche ein exotisches Tier.»
Kaffeekochen und Baupläne zuschneiden: So beginnt die berufliche Karriere von Suzana Cufer. Obwohl sie als frischgebackene Uni-Abgängerin ein Diplom als Bauingenieurin in der Tasche hat, nimmt man sie – damals in den frühen Neunzigern – nicht ernst. «Als Frau war ich in der Baubranche eine Art exotisches Tier», erzählt sie. «Man hat mir gar nicht zugetraut, dass ich auch denken kann.» Während ihre Kollegen Mittagspause machen, studiert sie dann jeweils die Projekte und erarbeitet Lösungen - und präsentiert diese bei Personalmangel ihrem Chef. «Gib mir ein Projekt, ich kann das auch», sagt sie zu ihm, «teste mich, es kostet Dich ja nichts.» Nach einiger Überzeugungsarbeit erhält sie schliesslich ihre ersten Projekte. Und ihre Chefs erkennen: Die kann was. Von da an geht es aufwärts mit ihrer Karriere.
In Österreich das Einmaleins des Tunnelbaus gelernt
Suzana Cufer wird 1966 in Kroatien geboren.Sie ist eine sehr gute Schülerin und könnte alles studieren. Sie entscheidet sich für das Ingenieurwesen – aber nur, weil sie eigentlich Innenarchitektin werden will und der Studiengang damals an der Uni noch nicht angeboten wird. Das Bauwesen gefällt ihr dann so gut, dass sie bleibt. Im Jahr 1991 schliesst sie mit dem Master im Konstruktiv- und Brückenbau ab; im gleichen Jahr beginnt der Kroatienkrieg. Cufer wandert nach Österreich aus.
Kaum angekommen, blättert die junge Bauingenieurin die Zeitungen nach Stelleninseraten durch. Nach dem harzigen Start und zwei Projekten in Österreich landet sie im Tunnelbau und lernt bei den Österreichern alles, was es über Tunnelbau zu lernen gibt. Im Jahr 1994 wird sie Weltbank-Beraterin im Tunnelbau. In dieser Funktion betreut sie Projekte in China, Kolumbien, Kroatien, der Slowakei, Österreich, Deutschland, Griechenland, der Türkei, Dänemark, Frankreich und den USA.
Fachleute holen sie aus New York in die Schweiz.
Ende der 90er-Jahre arbeitet sie als Fachspezialistin Tunnelbau für ein U-Bahn-Projekt in New York. Während ihres mehrjährigen Aufenthalts spezialisiert sie sich an der New York University mit dem Studiengang «Projectmanagement, procurement and negotiation». In New York ist es auch, wo sie in Kontakt mit Fachleuten aus der Schweiz kommt. Diese sind so überzeugt von ihrer Arbeit, dass sie sie in die Schweiz einladen. «Da ich mich als Europäerin fühle, habe ich mich entschlossen, nach Europa zurückzukehren», sagt sie. Im Jahr 2002 kommt sie in die Schweiz und arbeitet als Fachspezialistin Tunnelbau am Gotthard-Basistunnel und am Islisbergtunnel (ZH) mit. Fünf Jahre später wechselt sie ins Tiefbauamt der Stadt Zürich als Projektleiterin für Strassen- und Tiefbau. Nach fünf Jahren wechselt sie ins Baudepartement Kanton Aargau. Seit zwei Jahren arbeitet sie nun als Projektleiterin und Oberbauleiterin in der Abteilung Tiefbau der Stadt Winterthur.
Innert fünfzehn Jahren vierzehn Mal den Wohnort gewechselt
In ihrem beruflichen Werdegang hat sie innert fünfzehn Jahren vierzehn Mal den Wohnort gewechselt und in sechs Ländern auf drei Kontinenten gelebt. Ihre Reise um die halbe Welt ist auch eine Reise zu sich selbst. «Am Anfang fiel es mir extrem schwer, meinen Platz in dieser Männerwelt, die die Baubranche nun einmal ist, zu finden», sagt die Tunnelbauingenieurin. Sie habe immer versucht, sich anzupassen; sich wie ein Mann zu verhalten, wie ein Mann zu denken, wie ein Mann zu fühlen. «Das Resultat: Ich war immer eine graue Maus, immer irgendwie ein Nebengeleis.» Suzana Cufer merkt: So kommt sie nicht weiter; in ihrem Arbeitsalltag gab es stets irgendeinen «Knopf».
Suzana Cufer hat als Tunnelbauingenieurin schon in der halben Welt gearbeitet. Foto: zvg
Sich selbst treu bleiben
Sie fängt darum an, sich nicht nur um ihre berufliche Weiterbildung zu kümmern, sondern auch um die Entwicklung ihres Innenlebens. An der NLP Akademie Schweiz bildet sie sich als Business Coach, Betriebssupervisorin und Erwachsenbildnerin aus. «Ich bin überzeugt, dass die offene Kommunikation mit sich selbst und mit der Umwelt der Schlüssel zu Erfolg und Zufriedenheit im privaten wie auch geschäftlichen Leben ist», sagt sie. Heute betreut sie die Kaderleute aus der Wirtschaft bei Teambildung, Kommunikation und emotionaler Leadership. Und siehe da: Seit sie angefangen hat, sich selbst zu entdecken, hat sich auch ihr Umfeld verändert. Sie erlebt mehr Respekt – obwohl, oder gerade weil sich die 48-Jährige heute nicht scheut, als Frau aufzutreten. «Es ist schade, dass wir Frauen uns immer den Männern anzupassen versuchen», findet sie. «Schliesslich sind wir Frauen, und eine Frau wird immer anders sein als ein Mann – sie wird in einer Männergruppe zum Beispiel nie ein ‹Kumpel› sein.» Auch klar ist für sie, dass man als Frau in der Berufswelt immer noch mehr leisten muss als ein Mann, um sich zu behaupten; speziell, wenn man sich als Frau in einer Männerdomäne wie dem Bau bewegt.
«Ich bin halt eine Blondine»
Doch es könne auch ein Vorteil sein, wenn man nicht immer gleich ernst genommen werde. «Man hat mehr Zeit, zu beobachten, und kann die anderen dann mit seinem Wissen überraschen.» Generell gelte im Alltag: «Ich kann mir als Frau nicht mehr oder weniger erlauben als ein Mann – aber anderes.» Ist etwa eine Sitzung öde, kann sie auch mal ketzerische Fragen stellen – wenn dann alle leicht irritiert schauen, sagt sie mit einem Lächeln: «Ich bin halt eine Blondine.» Das lockert die Stimmung augenblicklich.
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass mehr junge Menschen ein technisches Studium wählen und unbedingt auch mehr Frauen. «Ich bin weltweit zwar nicht die einzige Tunnelbauingenieurin», sagt sie – bei ihren Projekten vor allem in Asien und den USA hat sie mehrere Tunnelbauingenieurinnen kennengelernt – «aber wir sind immer noch sehr, sehr, sehr exotisch.» Dabei sei ihr Beruf wunderbar. «Es ist ein extrem kreativer und vielseitiger Job, und ich arbeite mit grösster Leidenschaft und Hingabe», betont sie. «Zudem produzieren wir etwas Konkretes und sehen das Resultat unserer Arbeit; das ist etwas sehr Befriedigendes. Es macht mich glücklich, zu sehen, dass die Bauwerke, die ich erstelle, Millionen von Menschen ihren Alltag erleichtern.»
Aktuelles Projekt
Das grösste Projekt, das Suzana Cufer aktuell im Auftrag des Tiefbauamts Stadt Winterthur leitet, ist der Bau eines Regenbeckens inklusive Zu- und Ablaufkanal mit einer Länge von 850 Meter (Bausumme: 21 Mio. Franken). Die bauliche Herausforderung dabei ist der 550 Meter lange Zulaufkanal, der mitten durch Winterthurs Stadtzentrum führt. Unzählige Werkleitungen, nah stehende Gebäude und andere Hindernisse im Untergrund gilt es dabei zu beachten.
«Tunnelbauingenieurin ist ein extrem kreativer und vielseitiger Job.»
Stichworte
Supervision | Management | Gender | Betriebliche UmsetzungBirgit Günter
Birgit Günter ist Redaktorin Schweizer Bauwirtschaft Der vorliegende Text aus dem Magazin Schweizer Bauwirtschaft Nr. 8 vom 22.4.2015 erscheint mit freundlicher Genehmigung und kann bezogen werden bei:
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