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Ausgeliefert!
Es ist ein Mindgame, Freunde!
Photo by Joshua K. Jackson on Unsplash
Artikel basiert auf einem Erstabdruck im Praxis Kommunikation 04/2016
Ausgeliefert!
Wie man mit dem sozialen Panorama von Lucas Derks die Bereitschaft sich mobben zu lassen, auflösen kann.
Bei Mobbing oder Bossing sind selbstverständlich immer die anderen schuld: die Kollegen, die einen nicht ausstehen können, oder der Boss, der einen einfach nicht mag.
Und was wäre, wenn wir durch unsere Landkarten, in die wir die anderen unbewusst einordnen, ihnen erst die Möglichkeit gäben, uns zu quälen? Vielleicht ist das Leben ja tatsächlich auch ein wenig 'self fulfilling prophecy'? Dass es vielleicht so sein könnte, möchte ich hier an einigen praktischen Fällen darstellen, die mir in den letzten Jahren begegnet sind. Dabei werde ich aufzeigen, dass das Soziale Panorama von Lucas Derks ein Supertool ist, um das Mobbing zu stoppen oder gar nicht erst entstehen zu lassen.
Ich kann nicht helfen
Vor einigen Jahren fragte mich ein Manager, nennen wir ihn einmal Doktor de Quervain, ob ich ihm helfen könne. Er sagte etwa Folgendes:
„Ich habe einen neuen Kollegen, der, wie ich, Abteilungsdirektor ist. Anstatt mit mir zusammenzuarbeiten, schmiedet er Koalitionen gegen mich. Vor einigen Tagen hat er zudem meine Sekretärin madig gemacht. Mir scheint, dass er das alles nur tut, um Nachfolger unseres Chefs zu werden. Ein Job, der natürlich mir zusteht!“
Wir verabredeten uns zu einem Eintagescoaching, was ich normalerweise nicht mache. Sein Budget ließ nicht mehr zu, und da wir uns noch nie vorher zum coachen getroffen hatten, konnte ich – anders als sonst in solchen Fäll auch kein Re-Imprinting vorschlagen. Ich entschloss mich deshalb, seine Interessen und die seines Gegner herauszuarbeiten, ihre gemeinsame Vision und Mission zu entwickeln sowie ihn dabei zu unterstützen, sich selbst und seinen Gegner mit Ressourcen zu versehen, sodass Mission, Vision und die Interessen beider noch besser erfüllt werden könnten, als dies durch das aktuelle Verhalten geschieht.
Ein Coaching ohne Erfolg
Anschließend unterhielten wir uns noch über neue Verhaltensstrategien und entwickelten Maßnahmenpläne dazu. Leider, und das muss ich zu meiner Schande eingestehen, hat diese Intervention überhaupt nichts genutzt. Mein Mandant fühlte sich genauso gemobbt wie zuvor.
Repräsentationen sind mächtiger als Realitäten
Etwa ein Jahr später lernte ich das Soziale Panorama von Lucas Derks kennen und ließ mich bei Lucas darin ausbilden. Lucas geht davon aus, dass wir nach einer bestimmten Zeit des Kennenlernens eine Personifikation unseres Gegenübers aufbauen und mit einer solchen „Materialisierung“ nicht mehr auf die Person reagieren, die sie „wirklich“ ist, sondern weitestgehend auf deren subjektive Personifikation in unserer Landkarte. Diese Personifikationen erfolgen, indem wir die Menschen mental in einem dreidimensionalen Raum um uns herumstellen, und sie definieren sich hauptsächlich durch ihre Position, ihre Größe und ihre Blickrichtung (siehe Abbildung 1).
Veränderte Repräsentation, veränderte Realität
Lucas’ Erkenntnis dazu lautet, vereinfacht gesagt: Wenn es uns gelingt, die Submodalitäten dieser Personifizierungen zu modifizieren, z. B. ihre Positionen weiter in den Raum von uns weg zu verschieben oder sie zu verkleinern bzw. zu vergrößern oder ihre Blickrichtungen zu beeinflussen, kann sich unsere soziale Interaktion mit den real existierenden Personen grundlegend verändern.
Abbildung 1 (Lucas Derks)
Gelegenheit nachzubessern
Kurz nach meiner Ausbildung bei Lucas traf ich per Zufall meinen Mandanten abends in einem Hotel in Berlin. Ich bot ihm nach einem kurzen Smalltalk an, sein Problem mit einer anderen Technik noch einmal anzugehen, was selbstverständlich nichts kosten würde, er sei ja noch ein „Garantiefall“. Doktor de Quervain lachte, willigte ein, und ein Coachingraum war schnell gefunden.
Ich bat meinen Mandanten, mir zu sagen, wie sein Unterbewusstsein seinen Widersacher im dreidimensionalen Raum repräsentieren würde, wenn es dies könnte. Und darauf entspann sich folgender Dialog.
Mandant: Mein Widersacher steht etwa 20 cm vor mir, glotzt mich an, und ich schaue zu ihm auf. Er ist breiter und größer als normal. Er versperrt mir die Sicht auf meine Ziele.
Coach: Danke, was fühlen Sie dabei? Mandant: Angst und Wut!
Coach: Okay. Bitte stellen Sie sich nun in Ihrem Panorama eine Person vor, mit der Sie optimal auskommen. De Quervain stellte sich seinen Freund Frank vor. Dieser stand links neben ihm. Beide schauten sie in die gleiche Richtung, nämlich nach vorn, auf das gemeinsame Ziel. Ich bat ihn dann, sich von außen zu betrachten und mir zu sagen, was das Motiv oder die positive Absicht hinter dem Gefühl der Angst und Wut gegenüber seinem Widersacher ist. Coach: Was glauben Sie dadurch zu befördern, dass Sie Angst haben und wütend werden? Oder anders gefragt: Was würden Sie verlieren, wenn Sie weder Angst noch Wut entwickeln würden? Ich gebe Ihnen einmal neun Möglichkeiten: Ist es Freiheit, Sicherheit, Anerkennung, Macht, Harmonie, Intensität, Integrität, Fürsorge oder Wissen? Mandant: Nichts von alledem! Ich gewinne doch nichts dadurch, dass ich Angst habe! Ich bat Doktor de Quervain daraufhin, in seinen Körper hineinzuspüren, d. h. sich mit seinem Körpergefühl zu assoziieren, und sich die neun positiven Absichten noch einmal anzuhören. Coach: Sagen Sie mir, bei welcher dieser Absichten spüren Sie ein kinästhetisches Signal im Körper? Integrität, Fürsorge oder Wissen? Mandant: Nichts von alledem! Ich gewinne doch nichts dadurch, dass ich Angst habe! Ich bat Doktor de Quervain daraufhin, in seinen Körper hineinzuspüren, d. h. sich mit seinem Körpergefühl zu assoziieren, und sich die neun positiven Absichten noch einmal anzuhören.
Hinter jedem Verhalten steckt eine positive Absicht
Coach: Sagen Sie mir, bei welcher dieser Absichten spüren Sie ein kinästhetisches Signal im Körper?
Nun war es eindeutig: „Es geht mir um Sicherheit.“ Damit er in die Gänge komme, wie er sagte, und etwas für seine Sicherheit tue, entwickle er zuerst Angst, dann Wut, und wenn er nichts verändere, wächst die Wut „und ich springe ihm bald an die Gurgel“!
Mit der gleichen Vorgehensweise fragte ich ihn danach, was die Materialisierung seines Widersachers ihm gegenüber fühle und welche positive Absicht der verfolge. Dazu musste er sich in dessen Perspektive einfühlen. Mein Klient erkannte bei seinem Widersacher ein Gefühl der „Unterlegenheit“ ihm gegenüber und als Motivation für sein Verhalten „Anerkennung“. Schließlich wollte ich wissen, was die positiven Absichten von ihm und Frank in ihrer Interaktion sind. „Harmonie bei mir, Spaß bei Frank“, sagte Doktor de Quervain. Als Nächstes fragte ich ihn, welche Ressourcen er selbst und später auch die Personifiikation seines Widersachers brauchten, damit drei Dinge einträten:
a) er selbst noch mehr Sicherheit bekäme als durch sein momentanes Verhalten,
b) sein Gegenüber sich anders verhalten könnte, um noch mehr Anerkennung zu erlangen,
c) und dass dabei zudem auch die positive Absicht von Frank, nämlich Spaß zu haben, erfüllt werden könnte.
Mein Mandant kam für sich selbst auf die Ressourcen „Selbstbewusstsein“, „Gelassenheit“ und „Flexibilität“. Die Personifikation seines Widersachers könnte „Empathie“, „Vertrauen“ und „langen Atem“ gebrauchen, damit die Punkte a, b und c erfüllt würden (siehe auch Abbildung 2).
Abbildung 2 (Autor)
Wir fanden eine Situation in seinem Leben, in der er sehr viel von der Ressource „Selbstbewusstsein“ besaß. Ich ließ ihn in diese Ressource hineinassoziieren, ankerte sie mit einer leichten Berührung an seinem Arm und stapelte sie über das Gefühl der Wut und Angst seiner eigenen Personifiikation. Das Gefühl verwandelte sich daraufhin in „Gleichmut“. Des Weiteren stapelte ich die Ressourcen „Gelassenheit“ und „Flexibilität“ auf die Personifiikation seiner selbst, ging ebenso mit den Ressourcen seines Widersachers vor und vernahm, wie sich die Gefühle meines Mandanten gegenüber seinem Widersacher mehrfach veränderten. Am Schluss zeigte sich Doktor de Quervain völlig ruhig, gelassen und zuversichtlich.
Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems
Seine Gefühle der Angst und der Wut waren vollkommen verschwunden und erstaunlicherweise verschob sich dabei die Personifiikation seines Widersachers in die Nähe von Frank und schrumpfte so lange, bis sie beide gleich groß waren. De Quervain und sein Widersacher schauten zudem in dieselbe Richtung.
Die gesamte Intervention nach dem Nachtessen dauerte etwa eine Stunde. Wir gingen danach an die Bar und genehmigten uns einen schottischen Whisky: er einen Talisker, ich einen Lagavulin.
Einige Wochen später erhalte ich von ihm folgende Mail: „Sehr geehrter Herr Schweizer, Problem gelöst, fühle mich nicht mehr gemobbt, wir kommunizieren freundlich und konstruktiv miteinander. Vielen Dank! Vincent de Quervain“.
Andere Erfolge
In einem anderen Coaching habe ich die Personifikation der Chefin einer Personalentwicklerin verändern können. Die Chefin ging ihr seit über zwanzig Jahren fundamental auf die Nerven. Deren Personifiikation verwandelte sie mit den oben beschriebenen Methoden. Am Anfang hatte sie die Chefin direkt vor sich platziert – in einem Abstand von einem halben Meter und in Übergröße. Am Ende stand die Chefin in zehn Metern Entfernung vor ihr und schaute in dieselbe Richtung wie sie. Sie konnte ihre Chefin respektieren, ohne vor ihr Angst zu haben.
In einem weiteren Coaching fühlte sich mein Coachee von Kollegen gemobbt und wir machten mit einem Panorama der Kollegengruppe als Ganzes die gleiche Intervention. Auch hier fühlte sich mein Coachee nicht mehr verfolgt und begegnete den Kollegen nach dem Coaching völlig entspannt und gelassen (siehe Abbildung 3).
Ein Junior-Partner in einer Anwaltskanzlei, der vom Senior-Partner in der Partnerversammlung immer fertiggemacht wurde, beendete sein Opferdasein nach dem Coaching folgendermaßen: Als sein Senior-Partner ihn vor versammelter Mannschaft wieder einmal anschrie, legte er einen 100-€-Schein auf den Konferenztisch und sagte: „Er gehört Ihnen, wenn Sie sich noch etwas mehr ins Zeug legen und um zehn Dezibel lauter schreien!“
Ich habe die Methode des Sozialen Panoramas noch vielfach angewendet – mit den gleich guten Resultaten. Wo früher ein Problem war, ist heute keines mehr. NLPler und der alte Römer Seneca haben vermutlich recht: Die Landkarte ist für uns das Bestimmende und nicht die Realität. Oder um es mit einem leicht veränderten Wort Wittgensteins zu sagen: Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems.
Schlussfolgerungen
Das Soziale Panorama von Lucas Derks zählt – neben dem NewCode NLP von John Grinder – zu den besten Weiterentwicklungen des NLP, die ich kenne. Beide Techniken führen die Kernideen des NLP auf eine neue Ebene und zu einer neuen Einfachheit. Das Soziale Panorama gibt uns zudem die Möglichkeit unmittelbar zu erleben, ob die Intervention gewirkt hat: Die Personifikationen verändern sich und unser Gefühl diesen Menschen gegenüber gleich mit. Einen solchen Test, der auch den Coachee überzeugt, erlebe ich nur noch beim Re-Imprinting von Robert Dilts.
Soziales Panorama auf socialnet Lexikon mit Quellen, historischen Verweisen und theoretischer Verortung.
Workshop Soziales Panorama mit Lucas Derks
Stichworte
Soziales Panorama | Psychologie | Gender | Coaching | BeliefsAdrian Schweizer
Praktiziert(e) als Offizier die Konfliktlösung mit Macht, als Rechtsanwalt mit Recht und als Mediator und Executive Coach mit Interessenausgleich. Er absolvierte seine NLP-Ausbildung bei Gründern und Aktivisten des NLP. Seit 1994 ist er Master-Trainer (Robert Dilts) und seit 2002 certified Trainer der Society of NLP. Mit Reiner Ponschab hat er verschiedene Bücher zur Mediation und zur kooperativen Konfliktlösung geschrieben und arbeitet heute als Executive Coach und Wirtschaftsmediator in Europa und Übersee. Als Dozent an in- und ausländischen Universitäten und Hochschulen lehrt er Mediation, Kommunikation und Coaching.
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